A Tribute to Günter Wallraff – oder: Deutsches „Sisu“

Kürzlich habe ich den Klassiker des Undercover-Journalismus „Ganz unten“ von Günter Wallraff gelesen, der in den 80er Jahren erschienen ist.

Das Buch zeigt, dass die 80er Jahre neben Schulterpolstern, schrillen Farben und Synthesizermusik auch ihre ganz eigenen Schattenseiten hatten.

Günter Wallraff, verkleidet sich in diesem Reportageband als „Türke Ali“ und schleust sich in die Zeitarbeiterbranche ein, wobei er unter anderem bei McDonald’s, Thyssen-Krupp und auch bei Pharmaexperimenten vermittelt eingesetzt wird.

So ist er bei Thyssen-Krupp beispielsweise zusammen mit seinen größtenteils türkischen Kollegen damit beauftragt, Industrieanlagen von giftigen Müll und Abfällen ohne Schutzkleidung oder Atemmaske zu reinigen.

Das Buch beschreibt ein Stigma, was es in der Leiharbeit bei vielen Firmen und deren Verleiher immer noch gibt und wo die Zeitarbeitsfirmen teils mehr verdienen, als derjenige, der die Arbeit letztendlich verrichtet.

„Sisu“ ist ein Begriff aus dem Finnischen und kommt auch im Buch vor und wird mit „Ausdauer, Geduld und Beharrlichkeit“ dort übersetzt.

Ich möchte hinzufügen, dass diese Übersetzung nicht unbedingt den Kern, des finnischen „Sisu“ trifft. Man hört ihn oft auch bei Sportübertragungen beispielsweise beim Skilanglauf wenn ein finnischer Läufer oder Läuferin gerade das Feld weit anführt und unter extremen körperlichen Anstrengungen den Vorsprung bis ins Ziel auf.

Historisch gesehen kam dieser Begriff auch während des Winterkrieges von Finnland gegen die Sovietunion auf hatte die Nuance „extreme Situationen meistern unter Einsatz des eigenen Lebens“ wie beispielsweise Nachrichten unter Beschuss zwischen einzelnen Batallionen laufend und mündlich zu übermitteln.

Günter Wallraff berichtet in „Ganz Unten“ beispielsweise von Radiologenberichten und Ergebnissen von Bluttests, dass der Anteil von Quecksilber im Blut laut WHO-Höchstwerten über 80 mal höher bei den Thyssen-Krupp Leiharbeitern war und dass man oft regelrecht von „Verheizen der Arbeitskräfte“ sprach.

Er hat sich extremsten Bedingungen ausgesetzt und dies über Monate durchgehalten um bestimmte Missstände und Ressentiments über Ausländer und auch Organisationshierarchien in Betrieben aufzudecken und offen zulegen und dies unter Einsatz des eigenen Lebens.

Ich kann da wirklich nur meinen Hut ziehen und Respekt aussprechen. Das Buch hat mir selbst sehr geholfen, einige Aspekte meiner Erwerbsbiografie aufzuarbeiten und halte das Buch auch heute noch für lesenswert, da viele Missstände auch nach einer langen Zeit von 40 Jahren immer noch existieren.

Er hat buchstäblich in die Hölle geschaut und ich hoffe, dass er noch lange seine Reportagen macht. Von mir aus auch im „RTL Format: Team Wallraff“ – „Ganz unten“ ist ein Buch, was man durchaus auch mit der Soziologiestudie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ vergleichen kann, welches zu einem weltweiten Klassiker der Gesellschaftswissenschaften wurde.

Rezension Science-Fiction Roman „Paradies 3000“ von Herbert W. Franke

Auf den Chemnitzer Linuxtagen war ein Universitätsbuchhalter vor Ort, der u.a. eine kleine Kiste mit Science-Fiction Romanen bereit hielt. Für einen harten Euro nahm ich den abgebildeten Roman dann mit.

Ich kannte Herbert W. Franke weitgehend aus meinen Urlauben in Finnland: Die Stadtbibliothek von Leppävirta hat auch einige deutsche Bücher im Angebot – under anderem „Einsteins Erben“ von Herbert W. Franke.

„Paradies 3000“ war somit das zweite Werk, was ich von Herbert W. Franke dann laß und ich war ziemlich angetan vom Stil seiner Science Fiction.

Was ich interessant fand, war das viele Entscheidungen von Raumfahrt und Kybernetik von Ministern, Wissenschaftlern und Gelehrten getroffen wurden. Häufig wird die Auswirkung eines bestimmten Programms oder Rechnerarchitektur auf die Menschheit an sich thematisiert.

Das Buch hat mit seiner Publikation im Jahre 1981 einen gewissen Retrocharme: Beispielsweise verwenden die Astronauten Tonbänder für ihre Notizen und die Computersysteme werden mit Magnetbändern „gefüttert“.

Ein Wiedersehen mit Katharina Blum

Ich wünsche ein frohes neues Jahr und habe über Weihnachten einiges an Romanen gelesen.

Vor einiger Zeit fand ich in einem öffentlichen Bücherschrank Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ was wir schon zu Gymnasialzeiten gelesen hatten.

Da ich im Wesentlichen nur noch die Praktiken des Boulevardjournalismus und der „ZEITUNG“ in Erinnerung hatte, war ein Wiedersehen mit der Erzählung ganz interessant.

Persönlich halte ich „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ für ein interessantes Zeitdokument. Die „ZEITUNG“ dürfte wahrscheinlich ihrem Schreibstil treu geblieben sein und ihre Leserschaft weiterhin verführen.

Für mich fäng die „Verlorene Ehre“ aber auch den Zeitgeist der 70er Jahre gut ein. Zu dieser Zeit dürfte auch die „Rote Armee Fraktion“ aktiv gewesen sein. Im Buch wird zumindest die „Zäpfchenaffäre“ thematisiert, was das Abhören und Mitschneiden von Telefonaten reflektieren dürfte.